Die erste Hauptversammlung im Amt war für den neuen Audi-Chef Markus Duesmann, 51, am Freitag eine ebenso ungewöhnliche Erfahrung wie schon sein erster Arbeitstag bei der Volkswagen-Tochter am 1. April. „Die Bänder standen still, und die Parkplätze waren leer“, sagte Duesmann seinen Aktionären per Internet. Wie derzeit üblich, hielt auch Audi seine Hauptversammlung angesichts der Corona-Pandemie virtuell ab.
Schwieriger als in diesen Monaten könnten die äußeren Umstände kaum sein, um Audi und den Volkswagen-Konzern insgesamt – den größten Fahrzeughersteller der Welt – zu einem Vorreiter der Elektromobilität zu machen. Duesmann hat neben dem Vorstandsvorsitz bei Audi in Ingolstadt im Vorstand des Wolfsburger Gesamtkonzerns zugleich die Zuständigkeit für Forschung, Entwicklung und Innovation übernommen. Das bedeutet vor allem: in den kommenden Jahren Elektroautos zu entwickeln, die es speziell auch mit den Fahrzeugen des Marktführers in diesem Segment aufnehmen können, mit dem US-Hersteller Tesla.
„Bis zum Jahr 2025 wird Audi 20 rein elektrische Automodelle an den Markt bringen“, sagte Duesmann. Konzernweit sollen es bis zum Ende des Jahrzehnts 75 Elektromodelle sein, so ein früher formuliertes Ziel von Volkswagen. „Wir befinden uns in der größten Transformation unserer Industrie“, sagte Duesmann. „Der Volkswagen-Konzern bündelt deshalb alle Kräfte.“
Software-Entwicklung für VW-Konzern geht nach Ingolstadt
Speziell bei Audi zählt dazu derzeit auch der sogenannte Squeeze-out, das Herauskaufen von Minderheitsaktionären. Volkswagen hält bereits mehr als 99,6 Prozent der Audi-Anteile. Von einem Anteil ab 95 Prozent kann ein Mehrheitsaktionär einen Squeeze-out verlangen.
Die Minderheitsaktionäre von Audi sollen eine Barabfindung von rund 1552 Euro je Aktie erhalten, das sind fast 50 Prozent mehr, als die Aktie vor der Ankündigung des Schrittes an der Börse wert war. Volkswagen und Audi begründen den Schritt vor allem mit Einsparungen und der Vereinfachung von Prozessen – so entfällt künftig die gesamte Börsenberichterstattung für Audi und der rechtliche Rahmen dafür.
Für seine Elektromission bei Volkswagen bekommt der frühere BMW-Vorstand Duesmann starke Werkzeuge an die Hand. Audi soll unter dem alten Motto „Vorsprung durch Technik“ wieder das Innovationszentrum des gesamten Konzerns werden. Dieser Rolle war das VW-Tochterunternehmen im Wettbewerb mit BMW und Mercedes-Benz, aber eben auch mit Tesla in den vergangenen Jahren nicht ausreichend gerecht geworden.
Zwar verwies Duesmann am Freitag darauf, dass der batterieelektrische Audi-SUV e-tron bereits 44.000 Mal verkauft worden und dass er in Norwegen im ersten Halbjahr sogar der meist zugelassene Pkw insgesamt gewesen sei. Dennoch hat Volkswagen einen weiten Weg vor sich, wenn der Konzern wie angekündigt Weltmarktführer bei der Elektromobilität werden will.
Duesmann soll dabei in den kommenden Jahren eine der Schlüsselfiguren sein. Im Juli hat er die Oberaufsicht über die Car.Software-Organisation von Volkswagen übernommen, deren Zentrale nun von Wolfsburg nach Ingolstadt verlegt wird. Die Organisation soll von derzeit rund 5000 IT-Experten – darunter bislang 1200 von Audi – bis 2025 auf mehr als 10.000 Mitarbeiter anwachsen. Volkswagen will damit den Anteil seiner selbst entwickelten Software für seine Fahrzeuge von derzeit rund zehn auf 60 Prozent steigern.
Zugleich hat Volkswagen im Mai das Projekt Artemis gestartet, einen, wie Duesmann sagte, „Inkubator“ für die Neuentwicklung hoch effizienter Elektrofahrzeuge der Premiumklasse – mit Zugriff auf die Ressourcen des gesamten Konzerns. Das erste damit entwickelte Elektroauto von Audi soll 2024 auf den Markt kommen, dann bereits mit dem neuen Volkswagen-Betriebssystem VW.OS.
Derzeit fährt Volkswagen die Elektromobilität vor allem mit seinem ersten als reines Elektroauto entwickelten Modell VW ID.3 hoch, der Wagen wird von September an ausgeliefert. Es folgt zum Jahresende der SUV ID.4 sowie die entsprechenden Schwestermodelle von Audi und Skoda. Für die Elektrooffensive seiner Pkw-Marken hat Volkswagen zwei neue Plattformen entwickelt, eine für die Mittelklasse und eine für Premiumfahrzeuge.
Vordringlich allerdings muss Duesmann Audi erst einmal aus der Krise der Corona-Pandemie zurück in die Normalität führen. Im ersten Halbjahr ging der Fahrzeugabsatz der Volkswagen-Premiummarke um 22 Prozent zurück, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Der operative Verlust von Audi betrug 643 Millionen Euro.
Optimismus für die Erholung des Geschäfts schöpft Audi vor allem aus der Entwicklung in China, dem größten Automobilmarkt der Welt. Im ersten Halbjahr habe Audi dort nur um etwa drei Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen, sagte Duesmann. Für den Mai und den Juni wiederum habe Audi in China „die stärksten Auslieferungen aller Zeiten“ verzeichnet.
July 31, 2020 at 08:54PM
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Volkswagen: Dieser Mann soll Audi und VW in die Zukunft führen - WELT
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