Markus Duesmann, zuvor viele Jahre bei BMW tätig, hat seit April 2020 das Sagen bei Audi. Er soll die Volkswagen-Tochter zum Innovationsvorreiter des Konzerns im Elektroauto-Segment machen. Dazu hat Duesmann unter anderem das Projekt „Artemis“ ins Leben gerufen, mit dem er schnell und agil leistungsfähige Produkte zur Serienreife bringen will. Im Interview mit dem Handelsblatt sprach der Diplom-Ingenieur über seine Pläne.
Bei Audi gebe es „großen Umbaubedarf“, wegen der Coronavirus-Krise müsse die Marke dabei aber auf das Geld achten. „Die Kunst liegt darin, mit den richtigen Sparmaßnahmen den Wandel trotzdem zu finanzieren“, so Duesmann. Eine weitere zentrale Herausforderung ist die Transformation der Branche hin zu elektrischen Antrieben. Dabei hatte Audi Anfang des Jahres mit einem Mangel an Batterien zu kämpfen, was an der Beauftragung von zwei Lieferanten für zwei Batteriegrößen gelegen habe. Das sei nun gelöst, die meisten Kunden würden ohnehin die größeren Akkupakete wählen.
Audis erste Serien-Elektroautos sind das 2019 eingeführte SUV e-tron sowie dessen Coupe-Derivat e-tron Sportback. Im ersten halben Jahr hätten die Ingolstädter von der Baureihe gut 17.000 Einheiten verkauft, sagte der Firmenchef. Ende 2020 sollen es mehr als 40.000 Stück sein. Dass Audi die E-Mobilität verschlafen hat, findet Duesmann nicht. „Es tut schon weh, das immer wieder zu hören“, sagte er. Allerdings habe es lange keine Käufer und keine Ladeinfrastruktur gegeben, das ändere sich nun – insbesondere durch die derzeitige Förderung von Elektroautos.
Für das Jahr 2025 plane Audi einen Anteil von 40 Prozent elektrifizierter Fahrzeuge in Europa. „Die Masse davon rein elektrisch“, erklärte Duesmann. Mit Blick auf den aktuellen E-Auto-Branchenprimus Tesla räumte er ein, dass die Innovationskraft des US-Herstellers „nicht richtig eingeschätzt wurde“. Er sei als Fan von Elektromobilität „dankbar, dass es Tesla gibt“, denn das Unternehmen habe die alternative Antriebsart etabliert. Es sei jedoch ein Unterschied, „ob man von vorn anfängt oder ob man zum Beispiel einen Konzern wie Volkswagen mit mehr als 640.000 Mitarbeitern transformiert“.
Duesmann hat neben dem Chefposten bei Audi auch die Verantwortung für die Konzernforschung und -entwicklung bei Volkswagen inne. Der Wolfsburger Autobauer will mit Milliardeninvestitionen zum führenden Anbieter von E-Mobilität werden. Tesla wird von vielen zwar ein großer technologischer Vorsprung zugeschrieben, Duesmann meinte aber: „Bei Batteriezellen kann ich das nicht wirklich sehen, die Chemie beherrschen wir auch.“ Tesla setze im Moment vor allem noch die größeren Energiespeicher ein, da die Autos um die Batterie herum gebaut sind. Audis aktuelle Voll-Stromer basieren dagegen auf für Verbrenner entwickelten Plattformen.
Der Vorsprung von Tesla liege insbesondere „beim Thema Rechner und Software-Architektur“. Dort seien die Kalifornier sicher zwei Jahre voraus. Das gelte auch beim automatisierten Fahren. „Allerdings nehmen wir unsere Aufgabe gerade in diesem Feld sehr ernst“, betonte Duesmann . „Wenn unsere Kundinnen und Kunden das Steuer loslassen, ist das eine große Verantwortung. Hier mit Betaversionen oder Versprechungen zu arbeiten kommt nicht infrage.“
Projekt Artemis „konzertierte Aktion“
Zu dem von ihm ins Leben gerufenen Projekt Artemis sagte Duesmann, dass er darin alle Spezialisten zusammenziehe, die an modernsten Technologien arbeiten. „Das wird eine ganz konzertierte Aktion mit dem Ziel, 2024 das erste Produkt zu präsentieren – ein hocheffizientes Elektroauto.“ Dazu werde mit den neuesten Prozessen und schnelleren Abläufen gearbeitet. Artemis sei ein Versuchslabor für Technologie, Prozesse sowie neue Formen der Zusammenarbeit. Außerdem würden Daten eine wichtige Rolle spielen. „Es wird ein Kompetenzzentrum, wie wir es noch nicht hatten“, unterstrich der Audi-Boss.
Die innerhalb von Artemis geschaffenen Technologien sollen dem gesamten Volkswagen-Konzern zugutekommen. „Was wir dort entwickeln, werden wir sehr schnell skalieren“, sagte Duesmann. Die Technologie werde auf alle Konzernfahrzeuge übertragen, dabei gehe es nicht nur um die Zukunftstrends E-Mobilität, Digitalisierung und Autonomes Fahren, sondern die Kombination von allem. Schon vor dem Wechsel an der Spitze trieb Audi zusammen mit Porsche besonders leistungsstarke E-Autos voran. Duesmann verriet, dass das zweite in Artemis entwickelte Auto ein Modell der Zuffenhausener Konzernschwester werde. Er sei diesbezüglich in engem Austausch mit Porsche-Chef Oliver Blume, der zugleich bei Volkswagen die Konzernproduktion verantwortet.
Wie radikal sich Audi neu orientiert, zeigt eine laut Duesmann vor Kurzem getroffene wichtige Entscheidung: Der Hersteller werde seine Baureihen künftig nicht mehr nach Länge, Größe und Breite strukturieren, sondern nach dem Stand der Bordnetze. In Zukunft sei die Beschaffenheit des Bordnetzes wichtiger als die Beschaffenheit der Hardware, also des Automobils. „Die Digitalisierung bestimmt das Auto und unsere Organisation. Das ist die eigentliche Revolution. Ebenso werden wir den ganzen Konzern mitnehmen“, so Duesmann.
July 24, 2020 at 04:46PM
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Neuer Audi-Chef Duesmann als Fan von Elektromobilität „dankbar, dass es Tesla gibt“ - ecomento.de
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